Bornholm. Auf der Suche nach dem geheimnisvollen Pissebaekken
Was soll man über diese Insel sagen, sie ist einfach wunderschön. Das in Worten zu beschreiben, ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Man würde der Insel nicht gerecht werden. Deshalb lasse ich es. Denkt an die schönsten Ecken von Dänemark und legt noch 10% an Schönheit drauf, dann habt ihr es.
Aber so schön die Insel auch ist, sie beherbergt auch einige Seltsamkeiten.
11 Dinge, die auf Bornholm erstaunen:
1. Der Reiseführer sagt „Bornholm ist eine Fahrrad-Insel!“ Ich habe ein Fahrrad dabei. Ich starte im Norden. Es ist sehr hügelig, undankbare Steigungen von 14 % und mehr zermürben mich. Der Wind killt den schnellen Vortrieb. Ältere E-Bike-Fahrer ziehen mit steifer Miene und Unverständnis an mir vorbei. Ich arbeite noch manuell und bin wohl ein Verkehrshindernis. 10 Kilometer sind schweißtreibend. Der Rest der Insel wird zwar gen Süden etwas besser, aber eigentlich ist nur im wirklichen Süden an ein angenehmes Fahrradfahren zu denken. Wenn man denn den Wind einberechnet. 230 Kilometer ausgebaute Fahrradwege soll es geben. Ich lasse es.
2. Stattdessen ziehe ich meine Wandergaloschen an und mache mich zu Fuß auf den Weg. Ich bin nicht allein. Erstaunlich viele Backpacker kreuzen meinen Weg. Vor allem junge Leute ziehen mit Rücksäcken über die Insel. Von Schelter zu Schelter, von Jugendherberge zu Jugendherberge von Zeltplatz zu Zeltplatz Das Netz ist gut ausgebaut. Ich finde den Trend gut, auch wenn ich meinem Rücken keine Nacht im Schelter mehr zumuten möchte.
3. Mein Basislager liegt in Vang, nördlich von Hasle. Ich besuche auf der ersten Wanderung die Hauptattraktion von Bornholm. Hammershus. Eine der größten Burgruinen Nordeuropas. Ganz im Norden, erhaben auf den hohen Felsen über der Ostsee und dem Rest der Insel thronend. Ein wirkliches Muss. Noch besser in der Abenddämmerung, wenn die Sonne langsam im Meer versinkt und die roten Ziegel der Burg zum Glühen bringt. Erstaunlicherweise war die Burg nie sonderlich beliebt bei den Bornholmern. Die Geschichte der Burg besteht aus Unterdrückung, Gängelung, Machtdemonstrationen der Kirche und von Lübecker Kaufleuten, sowie Folter, Mord und Machtmissbrauch. Als Touristenattraktion genießt sie heute wieder ein positives Ansehen.
4. Ob der Name etwas mit der Burgruine und dem schlechten Ruf in der Vergangenheit hat, ist mir leider nicht bekannt. Aber es wird das im Dunstkreis von Hammershus gelegene Pissebaekken als besuchenswert angepriesen. Der Name heißt auf Deutsch das, was man liest. Soll wohl ein Wasserfall sein, ich habe ihn nicht gefunden. Trotz Beschilderung und waghalsiger Kletterpartien. Ein Geheimnis, das von mir nicht gelüftet werden konnte.
5. Wer die Insel ohne Auto erkundet, wird einen besonderen Geruch feststellen. Es riecht immer und überall nach Bärlauch. Der wilde Bärlauch wächst hier wie Spontanvegetation und macht ehrlich gesagt Hunger.
6. Bei Hunger kann auf dieser Insel geholfen werden. Es gibt Räuchereien in so ziemlich jedem größeren Ort. Die Schornsteine der Räucheröfen stehen zwar an fast jedem Haus der Insel noch immer spitzzulaufend in den Himmel gestreckt, aber genutzt werden die wenigsten. Der Fisch fehlt. Was noch geräuchert wird, kommt in den meisten Fällen aus der Nordsee. Aber den Fotografen gefallen die vielen stillgelegten Räucheröfen als stille Zeugnisse aus vergangenen Zeiten. Wer keinen Fisch mag, in Svaneke und in Gudhjem gibt es fantastische Zimtschnecken. Was für ein geiler Scheiß.
7. Bornholm besteht aus Granit und Sand. Der Granitabbau prägt das Bild des nördlichen Teils der Insel. Tiefe Felsschluchten, die in Seen enden und damit spektakuläre Kulissen bieten. Der Sand prägt den Süden. Weite Sandstrände und Dünen mit feinstem Sand, der für Sanduhren damals gut genug war. Der Granitabbau bietet heute zahlreiche Seen zur Besichtigung an. Der Rubinsee, der Smaragdsee, der Hammersee und der Opalsee. Besonders der letztere ist einen Besuch wert. Steile Felswände und spektakuläre Wanderwege über die Abbruchkanten in schwindelerregenden Höhen. Toll. Die drei anderen sind im direkten Vergleich nur einfach Seen.
8. Wem das zu hoch ist, der geht in die Mitte der Insel in die Heide. Hier findet man die 1990 wiederentdeckte Tapezierspinne. Sie gehört zu den Vogelspinnen. Sie galt für 100 Jahre als ausgestorben. Also bitte nicht drauftreten. Wer sicher gehen möchte, dass man keine Spinne versehentlich verletzt, der geht in den Bisonwald. Hier leben ausgewilderte Bisons in einem großzügigen Refugium. So groß, dass ich sie nicht finden konnte. Allerdings fand ich deren Haufen. Also da sind sie, falls jemand auch sein Glück versuchen möchte. Mein Reiseführer sagt allerdings, dass die Herde nur aus sieben Tieren besteht. Toi toi toi.
9. Bornholm liegt dichter an Schweden, Deutschland und Polen als an Dänemark. Im Norden der Insel besonders dicht an Schweden. Man kann das Festland bei guter Sicht erahnen. Das Handy sollte man daher auf lautlos stellen. Je nach Aufenthaltsort, teilte mir mein Telefonanbieter mehrfach am Tag mit, dass ich mich gerade im dänischen oder schwedischen Telefonnetz befand.
10. Die Erbseninseln. Der östlichste Dänische Außenposten in der Ostsee. Eine gute Stunde mit der Fähre von Gudhjem gelegen. Eine Festungsinsel, bestehend aus den Hauptinseln Frederiksø und Christiansø. Eine Museumsinsel mit Campingplatz, Museum, Schule, Hotel, Restaurant und vielen Möwen, die nur darauf lauern einem das Brot oder Eis zu klauen. Dabei gehen sie auch gerne rabiat zu. Ein Idyll mit zwei Türmen.
11. Meine persönliche Lieblingsentdeckung: Es gibt tatsächlich einen ernsthaften Schallplattenladen auf der Insel. Leider nur Samstags geöffnet und ansonsten nur nach Vereinbarung. Scheint mir in einem Privathaus untergebracht zu sein. Ich war leider nicht da, habe mir einen Besuch aber auf die Agenda fürs nächste Mal geschrieben.
Ich schreibe auf meine Agenda für den nächsten Besuch der Insel: Bison, Plattenladen und Pissebaekken. So schwer kann das ja nicht sein, diese drei Dinge zu finden…